Vorsatzanfechtung der Verrechnung von Beitragsforderungen einer Sozialkasse mit Erstattungsansprüchen des Arbeitgebers
Rechtsprechung | BGH, Urteil vom 3. Mai 2018 – IX ZR 150/16
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter eines Malerbetriebs, die Beklagte ist eine zur Durchführung der tarifvertraglichen Urlaubsregelung im Maler- und Lackiererhandwerk von den Tarifvertragsparteien gegründete Sozialkasse.
Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung (VTV) erhebt die Beklagte von den erfassten Arbeitgebern Beiträge. Beansprucht ein Arbeitnehmer Urlaub, hat der Arbeitgeber die Urlaubsvergütung an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Die Beklagte erstattet dem Arbeitgeber die ausgezahlten Beiträge, aber nur wenn sein Beitragskonto bei der Urlaubskasse zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ausgeglichen ist (§ 7 Nr. 3 VTV).
Der Insolvenzverwalter verlangt von der Beklagten, unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO, die Rückgewähr der Beiträge, die die Beklagte von der Schuldnerin entweder durch Zahlung oder durch Verrechnung mit Erstattungsansprüchen erlangt hat.
Der BGH kommt, wie auch die Vorinstanzen, zu dem Ergebnis, dass die Verrechnungen der Beklagten nicht gem. § 96 Abs.1 Nr. 3 InsO unzulässig waren, denn die Beklagte hat die Möglichkeit der Verrechnung nicht durch eine nach § 133 Abs.1 InsO a. F. anfechtbare Rechtshandlung erlangt. Es fehle aber nicht, wie von den Vorinstanzen angenommen, an einer Rechtshandlung des Schuldners, denn ohne Auszahlung der Urlaubsvergütung durch den Arbeitgeber gäbe es keine Erstattungsansprüche gegen die Beklagte und damit auch keine Aufrechnungsmöglichkeit der Sozialkasse. Der Senat hält diesbezüglich an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 2004 (BGH, Urt. v. 21. Oktober 2004 – IX ZR 71/02) nicht mehr fest.
Allerdings werden die Insolvenzgläubiger durch die von der Sozialkasse vorgenommenen Verrechnungen nicht benachteiligt (§ 129 InsO). Die Teil- bzw. Nichterfüllung der Beitragspflicht durch den Arbeitgeber begründe ein Hindernis für die Durchsetzung des bereits mit der Auszahlung der Urlaubsvergütung entstandenen Anspruchs. Insofern hatte folglich die Rechtsposition der Schuldnerin in dem Umfang der Beitragsschuld für die Gläubiger keinen wirtschaftlichen Wert, auf den diese hätten zugreifen können.
Wollte der Verwalter den Erstattungsanspruch der Schuldnerin zur Masse ziehen, hätte in gleichem Umfang die Beitragsforderung der Sozialkasse erfüllt werden müssen.
Anmerkung
Nach § 7 Nr. 3 VTV hat der Arbeitgeber nur dann einen Erstattungsanspruch, wenn sein Beitragskonto zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs ausgeglichen ist. Solange diese Norm besteht, bleibt es dabei, dass Erstattungsansprüche nicht zur Masse gezogen werden können.
Hannah Weinig
Bachelor of Laws LL.B.