Newsletter-06-2013: Erfahrungen mit dem geänderten § 14 I InsO
Praxis: Erfahrungen mit dem geänderten § 14 I InsO
Mit der Ergänzung des § 14 I InsO um die Sätze 2 und 3 durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 09.12.2010 beabsichtigte der Gesetzgeber den institutionellen Gläubigern (Finanzbehörden, Sozialversicherungsträgern) ein Instrument an die Hand zu geben, um die wirtschaftliche Tätigkeit insolventer Unternehmen einzuschränken und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners möglichst frühzeitig abzuklären (BR-Drs. 532/10 v. 03.09.2010, S. 52). Zuvor führte die vollständige Begleichung der antragsgegenständlichen Forderung zwangsläufig zum Verlust des Rechtschutzinteresses des Gläubigers und damit zur Unzulässigkeit des Insolvenzantrags. Der Antragssteller war daher gezwungen, zur Meidung der Kostenfolge des § 91 I 1 ZPO, seinen Antrag für erledigt zu erklären. In Extremfällen zahlten Unternehmen nur noch aufgrund der Drucksituation des Insolvenzantragsverfahrens. Durch die Neuregelung kann der antragstellende Gläubiger nunmehr trotz seiner Vollbefriedigung an dem Antrag festhalten, soweit er glaubhaft macht, dass in einem Zeitraum von zwei Jahren bereits ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt worden ist. Diese Regelung ist hinsichtlich des Adressatenkreises eng auszulegen, sodass diese nur auf „Dauer- und Zwangsgläubiger“, sprich auf Sozialversicherungsträger und die Finanzverwaltung, anzuwenden ist (AG Charlottenburg, ZInsO 2012, 2348). Gerade diese Institutionen sollen davor geschützt werden, dass keine neuen Verbindlichkeiten durch die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern oder Steuern aus der fortgesetzten Tätigkeit anfallen, die dann wieder unbezahlt bleiben (vgl. BT-Drs. 17/3030 S. 42). Folgerichtig entfällt dieser Schutz, soweit weitere Verbindlichkeiten ausgeschlossen sind. Dies ist anzunehmen, soweit bei einer antragstellenden Krankenkasse alle Arbeitnehmer abgemeldet worden sind und die entsprechende Betriebsstätte geschlossen wurde (vgl. BGH Beschl. v. 12.07.2012, IX ZB 18/12). Beide Gründe müssen dabei gegeben sein, da ansonsten eine Neuanmeldung nach Antragserledigung droht und die Sozialversicherungsträgerin wiederum in eine Gläubigerstellung geraten könnte. Die Neuregelung des § 14 I InsO hat die „Dauerinkassotätigkeit“ der Insolvenzgerichte für die institutionellen Gläubiger stark reduziert. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass das Insolvenzantragsverfahren zunehmend als Drohkulisse verwendet wird, um den Schuldner zur Abgabe von Meldungen zur Sozialversicherung und noch ausstehenden Steuererklärungen zu zwingen. So wird grundsätzlich die Antragsrücknahme in Aussicht gestellt, jedoch von der Abgabe der geforderten Erklärungen abhängig gemacht. Dies führt im Ergebnis zu einer Unsicherheit hinsichtlich der Anordnung von vorläufigen Sicherungsmaßnahmen. Das Insolvenzgericht hat gem. § 21 I 1 InsO alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Da die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen stets einen Eingriff in Grundrechte des Antragsgegners bedeutet, hat das Insolvenzgericht die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Hierzu wird vertreten, dass die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung nur nach vorheriger Feststellung fortbestehender Zahlungsunfähigkeit durch den Sachverständigen in Betracht kommt (AG Göttingen, Beschl. v. 26.08.2011, 74 IN 86/11). Da nach dem Ausgleich der Forderungen in der Regel nur noch mit wenig Kooperation des Schuldners zu rechnen ist, dürfte diese Feststellung zeitaufwändig und schwierig werden. Es könnten so Vermögensgegenstände verloren gehen, die im Falle einer doch noch erfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Gläubigergesamtheit nicht mehr zur Verfügung stünden. Verfolgt der Gläubiger mit der Aufrechterhaltung seines Insolvenzantrags daher lediglich die Abgabe noch ausstehender Erklärungen, verliert er trotz der Regelung des § 14 I Nr. 2 InsO sein Rechtschutzinteresse, da er mit dem Insolvenzantrag einen nicht schutzwürdigen verfahrensfremden Zweck verfolgt. Der Insolvenzantrag ist in einem solchen Fall deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
Florian Bandrack
Rechtsanwalt