Newsletter 1/2022 Kryptowährungen: Bitcoin & Co. – Die Durchsetzung von Ansprüchen in der Insolvenzpraxis
Immer öfter sind Insolvenzverwalter mit der Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen im Zusammenhang mit Kryptowährungen befasst. Dabei handelt es sich um digitale Währungen wie etwa den Bitcoin, die auf einer Blockchain und einer digitalen Signatur basieren. Nicht immer, wenn Hinweise auf Vermögen in Kryptowährungen auftauchen, sind Schuldner zur Mitarbeit bereit, häufig handelt es sich dabei auch um Kriminalinsolvenzen. Dann stellt sich die Frage, wie die entsprechenden Vermögenswerte ermittelt und gesichert werden können.
Eine ergiebige Informationsquelle sind die Endgeräte, die der Schuldner für seine Transaktionen verwendet hat. Gelöschte Dateien oder Browserverläufe können durch IT-Fachleute wiederhergestellt und mit Hilfe von Analysetools auf Verwendung von Kryptowährungen untersucht werden. Das setzt indes voraus, dass diese Geräte überhaupt auffindbar sind. Auch wenn dies nicht gelingt, besteht die Möglichkeit, dass noch Daten sichergestellt werden können, die ein Smartphone oder ein anderes Endgerät (über eine E-Mail-Adresse) in eine Cloud übertragen hat. Bei einem Smartphone ist lediglich erforderlich, dass die betreffende Mobiltelefonnummer bekannt ist, um den genutzten Internetdienstleister zur Wiederherstellung des schuldnerischen Accounts und zu Gewährung von Einsicht in die Clouddaten aufzufordern.
Hat der Schuldner nicht Peer-to-Peer (unmittelbare Kommunikation zwischen dem Rechner des Verkäufers und des Käufers), sondern über Internetplattformen gehandelt (z. B. binance, Huobi Global, kraken) oder einen Wallet-Anbieter (z. B. etoro, alvexo, capital-com) eingeschaltet, können bei diesen Dienstleistern weitere Auskünfte angefragt werden. Teilt der Schuldner nicht mit, auf welchen Plattformen er tatsächlich gehandelt hat, bleibt dem Insolvenzverwalter allerdings nichts Anderes übrig, als möglichst viele Plattformen zu Auskünften aufzufordern. Aufgrund der Vielzahl der Anbieter werden so indes nur Zufallstreffer gelingen. Es gibt jedoch noch eine andere Möglichkeit, die darauf aufbaut, dass alle jemals in der Blockchain durchgeführten Transaktionen dort gespeichert und öffentlich einsehbar sind. Durch die Einschaltung von IT-Dienstleistern, die Blockchain-Analysetools verwenden, ist es möglich, diese Transaktionen nachzuverfolgen („Bitcoin-Tracing“). Voraussetzung ist, dass Informationen über die Ausgangstransaktionen vorliegen. Wird gegen den Schuldner strafrechtlich ermittelt, sollte zu deren Klärung die Ermittlungsakte herangezogen werden. Auch Gläubigern können über entsprechende Informationen verfügen.
Eine Ermittlung von IP-Adressen und somit eine unmittelbare Zuordnung zu Sendern oder Empfängern der Transaktionen ist zwar nicht möglich. Allerdings ist die Zuordnung zu einer Bitcoin Adresse, die sich aus dem Schlüsselpaar des öffentlichen und privaten Schlüssels zusammensetzt, möglich, wobei der private Schlüssel nur dem Berechtigten bekannt ist. Für jede Transaktion kann der Sender der Transaktion ein neues Schlüsselpaar und somit eine neue Bitcoin Adresse generieren. Auch hier lässt sich Analysesoftware einsetzen, die entsprechende Muster erkennt. Durch ein Clusterverfahren können mehrere Bitcoin-Adressen zu sog. Entitäten (Einheiten) gruppiert werden. Mit den Ergebnissen lassen sich gezielt die Onlinebörsen ermitteln, auf denen der Schuldner gehandelt hat. Diese können dann zu weiteren Auskünften aufgefordert werden. Vor einer Auftragserteilung an den IT-Dienstleister ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung ratsam. Je nach beauftragter Analysetiefe können die Kosten in Relation zum erwartbaren Ermittlungserfolg schnell außer Verhältnis stehen. Die größte Unwägbarkeit für den Insolvenzverwalter ist dabei die nicht vorhersehbare Kursentwicklung bei Kryptowährungen.
Oliver Willmann
Rechtsanwalt