Newsletter 3/2022 Die misslungene Sanierung und der Vertrauensschutz bei der Vorsatzanfechtung
In einer aktuellen Entscheidung befasst sich der BGH erneut mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein (gescheiterter) Sanierungsversuch dazu führen kann, dass der Schuldner bei Zahlungen an seine Gläubiger ohne Gläubigerbenachteiligungs-vorsatz im Sinne des § 133 I InsO handelt. Dabei wird die im Mai 2021 begonnene Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung konsequent fortgeführt.
Beklagte ist im vorliegenden Fall eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die durch die Schuldnerin – eine nach § 316 HGB prüfpflichtige Aktiengesellschaft – vorinsolvenzlich mit der Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen beauftragt worden war. Als die Beklagte dabei zu dem Ergebnis kam, dass der Schuldnerin ohne weitere Maß-nahmen im Dezember 2013 die Zahlungsunfähigkeit drohte, verweigerte sie die Erteilung der Testate. Daraufhin beauftragte die Schuldnerin eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung eines Sanierungs-konzepts, das diese im Dezember 2013 vorlegte. Darin wurde eine akute Liquiditätskrise festgestellt, eine Sanierungsfähigkeit der Schuldnerin jedoch bejaht. Für die Sicherstellung der Durchfinanzierung bis Ende 2014 wurden außerdem verschiedene, kumulativ zu erfüllende Bedingungen genannt, die anschließend wohl zumindest
teilweise auch umgesetzt worden sind.
Zwischen Januar und Mai 2014 leistete die Schuldnerin an die Beklagte Honorarzahlungen in Höhe von insgesamt
€ 57.120,00, ehe sie am 27. Juni 2014 Insolvenzantrag stellte. Der Insolvenzverwalter nimmt die Beklagte auf Rückerstattung dieser Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung in Anspruch. Das Landgericht hatte seiner Klage stattgegeben und die Berufung der Beklagten zum Oberlandesgericht hatte nur wegen eines Teils der Zinsen Erfolg. Hiergegen wandte sich die Beklagte nun erfolgreich mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision: Der BGH hat das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
In seiner Begründung bestätigt der BGH zum einen bekannte Grundsätze zu den Anforderungen an ein im Rahmen des § 133 InsO zu berücksichtigendes Sanierungskonzept. Ausgangspunkt ist dabei, dass eine bloße Sanierungshoffnung nicht genügt, andererseits ein Erfolg aber auch nicht sicher sein muss (Rn. 33). Erforderlich ist ein schlüssiges Sanierungskonzept, mit dessen Umsetzung bereits begonnen wurde. Der Gläubiger darf dabei grundsätzlich den Angaben des Schuldners (bzw. eines von diesem beauftragten Sanierungsberaters) vertrauen und muss weder die Erfolgsaussichten noch die laufende Umsetzung des Sanierungskonzepts selbst prüfen (Rn. 33).
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass die weitreichende Entscheidung aus Mai 2021 (IX ZR 72/20), durch die der BGH eine grundlegende Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung eingeleitet hatte (vgl. Newsletter 4.2021), erst nach dem angegriffenen Urteil des Oberlandesgerichts ergangen war. Eine der Kernaussagen dieses BGH-Urteils lautet, dass aus der Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit allein nicht mehr auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und dessen Kenntnis beim Anfechtungsgegner geschlossen werden kann.
Den kompletten Artikel lesen Sie im Newsletter 3/2022.
Dr. Christoph Glatt LL.M
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht