Newsletter 1/2023 „Insolvency III“ – Der Entwurf der Richtlinie zur Harmonisierung des EU-Insolvenzrechts im Überblick
Die EU-Kommission veröffentlichte am 7. Dezember 2022 den Vorschlag einer (weiteren) Richtlinie zur Harmonisierung des Insolvenzrechts: COM (2022) 702 final, 2022 / 0408 (COD). Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen sollen abgebaut und das Vertrauen in die Kapitalmärkte der Europäischen Union gestärkt werden. Insbesondere der im Entwurf enthaltene Vorschlag der Kommission für vereinfachte, weitgehend insolvenzverwalterlose Insolvenzverfahren für (vermeintlich) kleinere Unternehmen sowie die Möglichkeit so genannter „Pre-Pack Verfahren“ sorgt für lebhafte Diskussionen.
I. Die Richtlinie
Erst kürzlich waren das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ vom 22. Dezember 2020 (StaRUG) sowie das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten und setzten die Europäische Restrukturierungs-Richtlinie in deutsches Recht um. Am 17. Dezember 2020 wurde die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre rückwirkend für Anträge ab dem 1. Oktober 2020 beschlossen. Es ist erst wenige Wochen her, als am 9. November 2022 die jüngsten Änderungen des Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetzes (SanInsKG) in Kraft traten. Das mit „heißer Nadel gestrickte“ Vorgängergesetz des SanInsKG, das„Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19 Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz“ (COVInsAG), beschäftigt die Praxis ebenfalls noch.
Nun aber gibt es – allen weltweiten Krisen und Rechtsänderungen der jüngeren Zeit zum Trotz – seit dem 7. Dezember 2022 einen weiteren ausführlichen, 73 Seiten füllenden Richtlinienentwurf der EU-Kommission im Bereich des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts („Insolvency III“).
Die EU-Kommission wird mutmaßlich bestrebt sein, das Vorhaben vor dem Ende der Legislatur im Zusammenhang mit den anstehenden Europawahlen im Frühjahr 2024 abzuschließen. Die Auflagen der weiteren Richtlinie im Bereich des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts würden Deutschland als Mitgliedstaat voraussichtlich 2026 treffen, vgl. Art. 71 RL-Entwurf („2 Jahre nach Inkrafttreten“). Für die in der Richtlinie vorgeschlagenen umfangreichen Änderungen stellt dies einen ambitionierten Zeitplan dar.
Der aktuelle Harmonisierungsvorschlag vom 7. Dezember 2022, der eigentlich schon im Sommer 2022 erwartet wurde, hat seine Wurzeln bereits in einer Entschließung des Europäischen Parlaments 2011, die eine Empfehlung für eine Harmonisierung des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts enthielt. 2014 folgte die Empfehlung der EU-Kommission mit einer Aufforderung an die Mitgliedstaaten zur Einführung eines Vorinsolvenzverfahrens. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) schlug 2015 in dieselbe Kerbe und forderte die Insolvenzregelungen der Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen, um mehr Transparenz, Effizienz und Sicherheit für die einzelnen Marktteilnehmer zu schaffen.
Ziel des neuen Richtlinienvorschlags ist es, europaweit einheitliche Regelungen im Insolvenz- und Restrukturierungsrecht einzuführen. Dies soll nach den Äußerungen der Kommission den Gläubigern den größtmöglichen Wert aus der Insolvenzmasse ermöglichen, für eine effiziente Abwicklung sorgen und auch im Übrigen ganz allgemein die Interessen der Gläubiger wahren. Auch sollen Investitionshemmnisse abgebaut werden.
In der Presseerklärung zum aktuellen Vorschlag wird hervorgehoben, dass eine fortgesetzte Harmonisierung des Insolvenzrechts im Interesse des Binnenmarktes, insbesondere der Kapitalmarktunion, erfolge. Grenzüberschreitende Investitionen sollen erleichtert werden, indem die Risiken in fremden Juristiktionen vergleichbarer und berechenbarer werden. Der Entwurf nimmt auf den Aktionsplan zur Herstellung einer „echten Kapitalmarktunion“ Bezug und beruft sich auf eine „übereinstimmende Ansicht internationaler Institutionen wie des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zahlreicher Denkfabriken“ – etwa UNCITRAL und Weltbank. Das Insolvenzrecht sei „national fragmentiert“, heißt es in der Entwurfsbegründung. Das Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten soll somit durch Mindestanforderungen an neue internationale Standards angepasst werden.
Der Vorschlag hat ein breites Medienecho hervorgerufen. Die Folgen für das deutsche Insolvenzrecht sind aktuell noch kaum abzuschätzen, da wie bereits beim „StaRUG“ zu erwarten ist, dass es in den legislativen Prozessen auf europäischer und nationaler Ebene zu gravierenden normativen Anpassungen im Vergleich zu dem am 7. Dezember 2022 vorgelegten Richtlinienentwurf kommen wird. Es ist auch denkbar, dass die Richtlinie nicht verabschiedet oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird. Das damals mit Spannung in Deutschland erwartete „StaRUG“ zur Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie konnte sich in der Praxis beispielsweise bislang nicht durchsetzen – unter anderem weil zentrale Bestandteile wie die Vertragsbeendigung im Gesetzgebungsprozess ihre Attraktivität eingebüßt hatten.
Den kompletten Artikel lesen Sie im Newsletter 1/2023.
Dr. Konrad Erzberger
Rechtsanwalt