Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
Praxis des Insolvenzrechts: Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren
Die deutschen Gerichte mussten sich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt mit der Frage auseinandersetzen, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Ausland in Deutschland überprüft werden darf. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich nach Art. 3 EUInsVO. Die EUInsVO ist anwendbar, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (COMI). Als Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen gilt der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Angelegenheiten nachgeht. Dies ist bei Arbeitnehmern und Verbrauchern der Wohnsitzort, bei Gewerbetreibenden und Selbstständigen ist an die wirtschaftliche Tätigkeit anzuknüpfen. Allein das Vorhandensein von Schulden im Inland führt nicht dazu, dass ein inländisches Insolvenzgericht zuständig ist (BGH, Beschluss vom 08.10.2009, IX ZB 83/09).
Nach Art. 4 Abs. 1 EUInsVO gilt für Insolvenzverfahren das Recht des Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die Gerichte eines Mitgliedstaates die angenommene Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates nicht nachzuprüfen, wobei als Eröffnungsentscheidung im Sinne des Art. 16 EUInsVO jede Entscheidung des Gerichts eines Mitgliedstaates anzusehen ist, wenn sie den Vermögensbeschlag zur Folge hat. Liegen die Voraussetzungen des Art. 16 EUInsVO vor, erfolgt mithin eine automatische Anerkennung der Eröffnungsentscheidung durch alle übrigen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen gerichtlichen Anerkennungsverfahrens oder einer Anerkennungsentscheidung bedarf (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.08.2014, 15 U 46/12). Dies ist Ausdruck des zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden Grundsatzes des Gemeinschaftsvertrauens. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EUInsVO nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 EUInsVO zuständiges Gericht eines Mitgliedstaates anerkannt wird. Die danach angenommene internationale Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts, welches seine Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 EUInsVO überprüft hat, unterliegt aufgrund der Anerkennung nach Art. 16 EUInsVO nicht der Überprüfung: diese beschränkt sich vielmehr allein darauf, ob sich das andere Gericht für international zuständig erklärt hat. Soweit Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, insbesondere hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit des Gerichts, steht allein das Rechtsmittelverfahren nach dem Recht des Eröffnungsstaates zur Verfügung. Gemäß § 343 InsO werden die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens sowie die Entscheidungen, die zur Durchführung oder Beendigung des anerkannten Insolvenzverfahrens ergangen sind, in Deutschland anerkannt. Die Anerkennung darf nur versagt werden, wenn die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind und soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere, soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist – sog. ordre public. Ein Verstoß gegen die ordre public erfordert damit eine offensichtliche Verletzung wesentlicher Grundsätze deutschen Rechts; bloße Abweichungen vom deutschen Recht genügen nicht.
Dr. Christoph Glatt LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht