Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit endet zum 30.09.2020
Corona-Pandemie: Regelungen des COVInsAG werden teilweise verlängert
Die Bundesregierung hat am 2. September 2020 eine Formulierungshilfe für einen aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringenden Gesetzentwurf zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) beschlossen.
Nach § 1 COVInsAG ist die Pflicht zur Insolvenzantragstellung nach § 15a InsO und § 42 Abs. 2 BGB noch bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, wobei dem zuständigen Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nach § 4 COVInsAG ermöglicht wurde, den Aussetzungszeitraum per Rechtsverordnung bis zum 31. März 2021 zu verlängern, soweit dies geboten erscheint.
Nunmehr haben der Koalitionsausschuss und die Bundesregierung beschlossen, die Regelungen über die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht jedenfalls für den Insolvenzantragsgrund der Überschuldung bis zum 31. Dezember 2020 zu verlängern. Trotz entsprechender Verordnungsermächtigung soll die Verlängerung der Aussetzung per Gesetz erfolgen, wobei eine weitere Option zur Verlängerung per Rechtsverordnung durch die Bundesregierung offenbar nicht geplant ist. Obwohl der im COVInsAG derzeit vorgesehene mögliche Verlängerungszeitraum nicht ausgeschöpft wird, bedeutet dies, dass eine weitere Verlängerung des Aussetzungszeitraums über den 31. Dezember hinaus allenfalls durch Gesetz verabschiedet werden könnte.
Beschränkung auf überschuldete Unternehmen
Mit der sachlichen Beschränkung auf den Tatbestand der Überschuldung werden Anregungen der Praxis aufgegriffen. Denn anders als bei zahlungsunfähigen Unternehmen bestehen bei überschuldeten Unternehmen noch Chancen, die Insolvenz dauerhaft abzuwenden.
Unternehmen, die zahlungsunfähig sind, können dagegen ihre fälligen Verbindlichkeiten bereits nicht mehr bezahlen. Das bedeutet, dass es diesen Unternehmen nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, ihre Finanzlage unter Zuhilfenahme der vielfältigen staatlichen Hilfsangebote zu stabilisieren. Um das erforderliche Vertrauen in den Wirtschaftsverkehr zu erhalten, sollen diese Unternehmen daher nicht in die Verlängerung einbezogen werden.
Handlungsbedarf bei Zahlungsunfähigkeit
Damit müssen sich insbesondere die Geschäftsführungen haftungsbeschränkter Gesellschaften auf die neue Sachlage einstellen: Wer zum 1. Oktober 2020 zahlungsunfähig im Sinne des § 17 InsO ist, profitiert nicht weiter von der Aussetzung der Antragspflicht.
Dabei ist zu beachten, dass die Aussetzung der Antragspflicht nach § 1 Satz 2 COVInsAG bereits jetzt schon entfällt, wenn keine Aussichten (mehr) bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Wer also bereits jetzt schon nicht mehr die Aussicht hat, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit beseitigen zu können, darf mit der Insolvenzantragstellung nicht bis zum 1. Oktober 2020 zuwarten; vielmehr sind dann § 15a InsO beziehungsweise § 42 Abs. 2 BGB mit der daraus resultierenden (dreiwöchigen) Antragsfrist regulär anwendbar.
Positive Fortführungsprognose zum Jahresende entscheidend
Aber auch in Bezug auf den Überschuldungstatbestand ergibt sich aus dem zeitnahen Auslaufen der Aussetzung zum Jahresende 2020 möglichweise bereits jetzt schon konkreter Handlungsbedarf:
Da der Überschuldungstatbestand des § 19 InsO ab dem 1. Januar 2021 nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist und insoweit die Fortführungsprognose mit entscheidet, sollte mit deren Erstellung schon rechtzeitig vor dem Jahresende begonnen werden.
Neben der Verlängerung des Aussetzungszeitraums für den Insolvenzgrund der Überschuldung werden auch die bislang in § 2 COVInsAG geregelten Folgen der Aussetzung bis zum 31. Dezember 2020 verlängert: So bleiben Zahlungsverbote, nach denen Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften, bei Vorliegen der Voraussetzungen weiterhin gelockert. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und lösen keine Haftung aus.
Die Angst vor Geschäften mit Untoten
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hat zu stark rückläufigen Insolvenzantragstellungen geführt, was die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise allerdings nicht realistisch widerspiegelt. Angesichts dessen hat sich eine lebhafte Diskussion um sogenannte „Zombie-Unternehmen“ entfacht, die – obwohl ihre Einnahmen aus dem operativen Geschäft zu gering sind – durch die Aussetzung der Antragspflicht künstlich am Leben gehalten werden.
Wenn die Wirtschaft nicht schnell genug wieder anläuft und es mit dem – endgültigen – Auslaufen der uneingeschränkten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht tatsächlich zu dem befürchteten Massensterben von Betrieben kommt, reißen solche „Zombies“ auch ihre Lieferanten und Geschäftspartner mit in die Insolvenz. Zudem binden sie knappe Ressourcen – wie beispielsweise Fachkräfte – in ineffizienten Strukturen. Diese fehlen dann Unternehmen mit nachhaltigem Geschäftsmodell. Das bremst nicht nur deren Wachstum, sondern das der gesamten Volkswirtschaft.
Vor diesem Hintergrund ist das nunmehr vorgesehene Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zu begrüßen.
Winfried Bongartz
Rechtsanwalt
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