Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechtes des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück
Rechtsprechung/BGH Beschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21
Nicht nur der IX. Senat befasst sich mit Insolvenzrecht. Der u.a. für Grundbuchsachen zuständige V. Senat des Bundesgerichtshofs hatte jüngst ebenfalls einen Fall mit Bezug zum Insolvenzrecht vorliegen und hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das der Schuldner am eigenen Grundstück bestellt hat, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstücks-eigentümers vom Insolvenzverwalter zur Löschung gebracht werden könne.
Der Beteiligte zu 1 war eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstücks. An dem Grundstück bestellte er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Maßgabe, dass die Ausübung des Wohnungsrechtes nicht dritten Personen überlassen werden kann. Er brachte das belastete Grundstück in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Einlage ein. Die GbR wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts. Über das Vermögen des Beteiligten zu 1 wurde einige Monate später das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm im Wege der Insolvenzanfechtung die GbR erfolgreich auf Rückgewähr in Anspruch und erklärte die Auflassung des Grundbesitzes an den Beteiligten zu 1. Er bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Daraufhin wurde der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen und das Wohnungsrecht gelöscht.
Gegen die Löschung des Wohnungsrechtes hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswider-spruchs eingelegt. Das Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Der V. Senat hat die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht habe zu Recht abgelehnt, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Wohnrechts anzuweisen, weil durch die Löschung des Wohnungsrechtes keine gesetzlichen Vorschriften verletzt worden seien. Der Insolvenzverwalter sei befugt gewesen, die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehe die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Dem Insolvenzschuldner werde, soweit die Insolvenzmasse betroffen sei, auch die Bewilligungsbefugnis entzogen; diese werde durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Die Bewilligungsbefugnis umfasse dagegen nicht das Vermögen, das nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt, § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO.
Das Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB sei eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, § 1093 Abs. 1 BGB. Grundsätzlich gehörten beschränkte persönliche Dienstbarkeiten nicht zur Insolvenzmasse, weil sie gem. § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und daher nicht pfändbar seien, § 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO. Etwas anderes gelte gemäß § 857 Abs. 3 ZPO nur dann, wenn die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. Daran hat es im vorliegenden Fall gefehlt.
Trotzdem sei das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 pfändbar und falle in die Insolvenzmasse, weil der Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück zurückerlangt hat und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigentümerwohnrecht geworden ist.
Das Gesetz gehe in den §§ 1090 ff. BGB davon aus, dass die beschränkt persönliche Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück besteht und Eigentümer und Berechtigter personenverschieden sind. Für das Wohnungsrecht komme dies in § 1093 BGB Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Danach kann ein Gebäude oder ein Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung genutzt werden. Grundsätzlich erlaube der Bundesgerichtshof die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auch am eigenen Grundstück. Der Grund liege darin, dass dafür im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen ein praktisches Bedürfnis bestehen kann. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild Grundstücks-eigentümer und Berechtigte personenverschieden sind. Dieses Leitbild liege gerade auch der Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde, die zum Ausschluss der Pfändbarkeit geführt hat.
Auf ein Eigentümerwohnrecht könne sich der Ausschluss der Pfändbarkeit nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erstrecken. Die Vorschrift diene dem Schutz des Eigentümers. Sie trage dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung und schließe es aus, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Damit werde deutlich, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt. Für die beschränkt persönliche Dienstbarkeit und insbesondere das Wohnungsrecht am eigenen Grundstück ist § 1092 Abs. 1 BGB nach Auffassung des BGH teleologisch einzuschränken. Der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, müsse sich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen.
Infolgedessen sei ein Eigentümerwohnungsrecht stets pfändbar. Dafür spiele es keine Rolle, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wird oder, ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt. Aufgrund der Pfändbarkeit falle das Eigentums-wohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse und ist von dem Insolvenzverwalter zu verwerten. Der Insolvenzverwalter sei daher auch befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen, etwa um das Grundstück lastenfrei veräußern zu können.
Dr. Barbara Klein
Rechtsanwältin