BFH entscheidet über Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO
Rechtsprechung: BFH, Urteil vom 24.09.2015 – V R 48/13
BFH entscheidet über Anwendung von § 55 Abs. 4 InsO
Mit Urteil vom 24.09.2014 hat der BFH entschieden, dass Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet werden. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist dabei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit Recht zum Forderungseinzug, ist der Vorsteuerabzug für die Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen. Gleiches gilt für die Umsatzsteuer und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezahlt. Der BFH stellt in den Urteilsgründen zunächst klar, dass Verbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO nur im Rahmen der für den vorläufigen Verwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse begründet werden können. Damit lehnt der BFH die von der Vorinstanz noch für zutreffend gehaltene Auffassung der Finanzverwaltung ab, wonach § 55 Abs. 4 InsO auf Steuerverbindlichkeiten anzuwenden sei, die auf Umsätzen beruhen, denen der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter nicht ausdrücklich widersprochen hat. Da der Insolvenzverwalter selbst keine Leistung erbringt, komme es auf die Leistungserbringung nicht an. Zudem kann sich der Zustimmungsvorbehalt nur auf Verfügungen und damit auf Lieferungen und nicht auch auf sonstige Leistungen beziehen. Demnach stellt der BFH auf das Kriterium der Entgeltvereinnahmung ab. Bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Verwalter mit der Ermächtigung, Forderungen des Schuldners einzuziehen, führt dies zur Uneinbringlichkeit der dem Schuldner zustehenden, aber bisher nicht vereinnahmten Entgelte, da es ihm selbst nicht mehr möglich ist, diese einzuziehen. Dies führt zu einer ersten Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter die Entgelte später, so führt dies zu einer zweiten Berichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG, welche Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO begründet. Durch die Einbeziehung auch der vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erbrachten und bezogenen Leistungen ist der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 4 InsO demnach weiter als bislang angenommen.
Gerd Nießen
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Steuerrecht