BGH entscheidet über eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung
Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 29.01.2015, IX ZR 279/13
Der BGH entscheidet über die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 war unklar, wie die sog. eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung anfechtungsrechtlich zu behandeln ist, da die bis zum MoMiG geltenden §§ 32a, b GmbHG in das Insolvenzrecht verlagert wurden und insbesondere der § 135 InsO erweitert wurde. Merkmal der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung ist, dass der dem späteren Insolvenzschuldner zur Nutzung überlassene Gegenstand Eigentum des Gesellschafters des späteren Insolvenzschuldners ist. Der Gesellschafter vereinbart mit der Gesellschaft in der Regel ein Mietverhältnis über den überlassenen Gegenstand und erhält dafür die geschuldeten Mietzinsen. Bis zum MoMiG waren die vor Insolvenzeröffnung geleisteten Mietzahlungen über das Konstrukt der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Krise an die insolvente Gesellschaft zurückzugewähren, §§ 30, 31 GmbHG bzw. §§ 32a, b GmbHG.
Mit Urteil vom 29.01.2015 (IX ZR 279/13) hat der BGH nunmehr für Rechtssicherheit gesorgt, indem er klarstellt, unter welchen Voraussetzungen vor Insolvenzantragstellung gezahlte Nutzungsentgelte der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 InsO unterliegen. Die Zahlung eines vertraglichen Nutzungsentgelts kann demnach gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens, sondern nur als Befriedigung einer einem Darlehen gleichgestellten Forderung angefochten werden. Werden von der Gesellschaft Nutzungsentgelte entrichtet, greift § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen der abweichenden Forderungsart nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr eines Darlehens durch. Im Schrifttum wurde die Anfechtbarkeit von Nutzungsentgelten teilweise befürwortet, weil schon die Nutzungsüberlassung einer Darlehensgewährung entspreche und dieses Darlehen mit der Entrichtung der Nutzungsentgelt zurückgeführt werde. Dieser Auffassung erteilt der BGH eine Absage: Nach dem gesetzgeberischen Konzept des MoMiG könne bei einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen und würde sich nicht schon in der vorausgehenden Nutzungsüberlassung selbst äußern. Eines der wesentlichen Anliegen des MoMiG verwirkliche sich in der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts. Nur ein von dem Eigenkapitalersatzrecht gelöstes Verständnis werde dem eindeutigen Wortlaut des § 135 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gerecht, der zwischen Darlehen und darlehensgleichen Forderungen, denen Nutzungsentgelte zugeordnet werden können, unterscheide. Sei eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter nach dem heutigen Verständnis einer Darlehensgewährung nicht wirtschaftlich vergleichbar, kann die Tilgung von Nutzungsentgelten nicht als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterworfen werden.
Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus Austauschgeschäften herrührende Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt. Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung des Darlehens führt, aus. Ein Baraustausch liegt bei länger währenden Vertragsbeziehungen in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden. Sofern also die Nutzungsentgelte innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit entrichtet werden, ist nicht von einer Stundung auszugehen. Folglich liegt keine anfechtbare Zahlung auf eine darlehensgleiche Forderung vor.
Zusammenfassung: Der BGH hat mit dieser Entscheidung die bislang offene Frage geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Zahlung von Nutzungsentgelten an Gesellschafter der Schuldnerin der Anfechtung unterliegen. Ferner wurde die bislang ungeklärte Frage entschieden, dass der Bargeschäftseinwand des § 142 InsO auch auf § 135 Abs. 1 InsO Anwendung findet.
Oliver Willmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht