BGH stärkt Vermieterrechte bei Mieter-Insolvenz
Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14
Fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges in der Verbraucherinsolvenz des Mieters
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Vermieterrechte deutlich gestärkt und jüngst – in einer erst vor wenigen Tagen veröffentlichten Entscheidung – klargestellt, dass dem Mieter wegen Zahlungsverzuges auch dann fristlos gekündigt werden kann, wenn er einen Insolvenzantrag gestellt hat, der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder aber die „Freigabe“ des Mietverhältnisses nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erklärt hat.
Der Antrag auf Eröffnung eines (Verbraucher-) Insolvenzverfahrens bewirkt zum einen, dass das Mietverhältnis zunächst mit dem Insolvenzverwalter fortgesetzt wird (§ 108 Abs. 1 InsO) und zum anderen, dass das Mietverhältnis vom Vermieter nicht wegen Mietrückständen aus der Zeit vor Insolvenzantragstellung gekündigt werden kann (sog. Kündigungssperre, vgl. § 112 Nr. 1 InsO). In der Vergangenheit war aber streitig, ob diese Kündigungssperre auch dann Fortbestand hat, wenn der Insolvenzverwalter – wie allgemein üblich – eine entsprechende Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgegeben und die „Freigabe“ des Mietverhältnisses erklärt hat.
Der u. a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat nun entschieden, dass die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO entfalle und eine außerordentliche Kündigung auch auf solche Mietrückstände gestützt werden könne, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind. Die Enthaftungserklärung bewirke nämlich, dass das Mietverhältnis nicht mehr massebefangen sei, sondern in die Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien zurückfalle mit der Folge, dass eine Kündigung grundsätzlich möglich sei. Sinn und Zweck der in § 112 Nr. 1 InsO geregelten Kündigungssperre stünden dem nicht entgegen, denn die Norm diene dem Schutz der Insolvenzmasse und einer möglichen Fortführung des Schuldnerunternehmens und gerade nicht dem persönlichen Schutz des bei Insolvenzantragsstellung im Zahlungsverzug befindlichen Mieters bzw. Schuldners vor dem Verlust der Wohnung. Auch § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO solle lediglich verhindern, dass der Mieter ein Verbraucherinsolvenzverfahren nur um den Preis des Verlusts der Wohnung durch die Kündigung seitens des Treuhänders einleiten kann. Der soziale Mieterschutz werde auch im Insolvenzfall dadurch gewährleistet, dass der Mieter die Kündigungsfolgen durch Zahlung der Mietrückstände gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB aus seinem pfändungsfreien Vermögen abwenden könne; auch sei eine Befriedigung der Mietschulden von dritter Seite, insbesondere durch öffentliche Stellen, trotz des laufenden Insolvenzverfahrens möglich.
Winfried Bongartz
Rechtsanwalt