Diskussion über Reform der Vorsatzanfechtung vom Tisch
Praxis des Insolvenzrechts: Diskussion über Reform der Vorsatzanfechtung vom Tisch
Verschiedene Bundesverbände der Wirtschaft fordern bereits seit Längerem eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechtes, insbesondere der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO, weil die Rechtsprechung den Tatbestand zu weit ausgedehnt habe. Diesen Wunsch hatte die Bundesregierung zunächst aufgegriffen. Nunmehr sind die Pläne einer Gesetzesreform nach Angaben des Bundesjustizministeriums zunächst vom Tisch.
Hauptanknüpfungspunkt der Kritik ist die Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO. Danach wird die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners vermutet, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Dieses Wissen von der Zahlungsunfähigkeit leitet der BGH aus verschiedenen Indizien, u.a. aus Teilzahlungsvereinbarungen, schleppender Zahlungsweise und veränderten Zahlungszielen, ab. Die Wiedererlangung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit muss der Anfechtungsgegner beweisen. Eckpunkte der geforderten Reform sind die Neugestaltung des Bargeschäfts als unanfechtbar, die Verkürzung des Anfechtungszeitraums auf max. 4 Jahre, der Ausschluss der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO für kongruente Deckungsgeschäfte mit der Intention, nur unlauteres Handeln des Schuldners der Anfechtung zu unterwerfen.
Nachdem die Reform des Anfechtungsrechts Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hatte, konnten sich die Rechtspolitiker der beiden Fraktionen und der Bundesjustizminister letztlich aber nicht einigen. Nicht zuletzt scheiterte die Reform an der Uneinigkeit der Parteien, wie weit die Änderungen gehen sollten. Auch wurde die „Beschneidung des Anfechtungsrechts“ von vielen namhaften Stimmen der Rechtsprechung und Literatur abgelehnt. Man befürchtet, dass erneut eine Privilegierung bestimmter Gläubigergruppen gewissermaßen „durch die Hintertür“ Eingang in die InsO finden sollte. Derzeitiger Stand ist nach demnach, dass das Anfechtungsrecht wie bisher bestehen bleibt. Die Rechtsprechung hat nicht zuletzt durch die angestoßenen Reformbestrebungen ebenfalls erkannt, dass in der Vergangenheit die Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO teilweise zu weitgehend war und nimmt daher in der jüngeren Rechtsprechung eine einschränkende und strengere Auslegung der Tatbestandsmerkmale vor. Dies dürfte ausreichend sein, den Interessen der Gläubiger, welche sich Anfechtungsansprüchen ausgesetzt sehen, gerecht zu werden.
Reformbedarf besteht nach überwiegender und einhelliger Ansicht lediglich im Hinblick auf den Beginn der Verzinsungspflicht im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Werden Anfechtungsansprüche erst kurz vor Eintritt der Verjährungen erklärt, sind diese im schlimmsten Fall für die Dauer von nahezu vier Jahren zu verzinsen. Das Anfechtungsrecht im Übrigen ist nach wie vor ein sinnvolles und notwendiges Instrument zur bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, daher ist diese Entwicklung zu begrüßen.
Oliver Willmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Insolvenzrecht