Newsletter-04-2013: EU-Kommission schlägt Änderung der EuInsVO vor
Reform des Insolvenzrechts: Europäische Kommission schlägt Änderung der EuInsVO vor
Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das seit gut einem Jahr in Kraft ist, und dem jüngst vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen hat es die deutsche Insolvenzpraxis bereits mit zahlreichen Neuerungen zu tun. Doch nicht nur auf nationaler Ebene ist das Insolvenzrecht derzeit in Bewegung: Am 12.12.2012 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren (COM(2012), 744 final) vorgelegt. Die Reformvorschläge betreffen unter anderem den Anwendungsbereich der EuInsVO, Fragen der Zuständigkeit, die Abstimmung zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren und – die Konzerninsolvenz.
Eigentlich wäre die Kommission gemäß Art. 46 EuInsVO verpflichtet gewesen, bereits bis zum 1.7.2012 einen Bericht über die Anwendung der seit dem 31.5.2002 geltenden Verordnung vorzulegen. Diese Frist wurde jedoch nicht gehalten. Stattdessen präsentiert die Kommission nun unmittelbar einen Verordnungsvorschlag, dem eine öffentliche Konsultation sowie eine Studie der Universitäten Heidelberg und Wien (External Evaluation of Regulation No. 1346/2000/EC on Insolvency Proceedings, JUST/2011/JCIV/PR0049/A4) vorausgegangen waren.
Vorgeschlagen wird nun, den Anwendungsbereich der EuInsVO zu erweitern. Art. 1 EuInsVO-E zählt zu den Insolvenzverfahren im Sinne der Verordnung alle gerichtlichen und administrativen Verfahren einschließlich solcher des einstweiligen Rechtsschutzes. Wie sich aus dem begleitenden Bericht der Kommission ergibt, sollen mit der vorgeschlagenen Erweiterung auch vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren in den Anwendungsbereich einbezogen werden.
Die Zuständigkeit für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens soll sich auch künftig nach dem „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ (centre of main interest – COMI) bestimmen. Dieser Begriff wird aber nun in Art. 3 I 2 EuInsVO-E gesetzlich definiert als der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich seine Interessen verfolgt und der für Dritte als solcher erkennbar ist.
Weitere Neuerungen betreffen sodann das Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren. Hier sieht der Kommissionsvorschlag unter anderem vor, die Begrenzung des Sekundärverfahrens auf das Liquidationsverfahren zu streichen. Stattdessen soll das eröffnende Gericht nach Art. 29a III EuInsVO-E die am besten geeignete Verfahrensart auswählen können.
Echtes Neuland betritt die Kommission sodann mit den in Art. 42a – 42d EuInsVO-E vorgeschlagenen Regelungen zur „Insolvenz von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe“. Anders als in dem vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Diskussionsentwurf zum deutschen Konzerninsolvenzrecht ist ein übergeordnetes Koordinationsverfahren nicht vorgesehen. Der Entwurf schlägt aber umfassende Kooperations- und Kommunikationspflichten zwischen den verschiedenen Akteuren einer Gruppeninsolvenz vor, die an die in Art. 31 EuInsVO-E definierten Pflichten für das Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärverfahren angelehnt sind.
Erste Reaktionen aus Wissenschaft und Praxis sehen in dem Entwurf die Tendenz, künftig stärker als bisher auf das nationale Insolvenzverfahrensrecht einzuwirken und die EuInsVO mit eigenen Sachnormen auszustatten. Man darf daher gespannt sein, wie sich das Europäische Parlament und der Rat zu dem Kommissionsvorschlag positionieren – und zu welchen Anpassungen ihres Insolvenzrechts die nationalen Gesetzgeber möglicherweise gezwungen sein werden.