Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts bei Vermögensverfall
Rechtsprechung des BGH, Beschluss vom 27.08.2019, Az. AnwZ (Brfg) 35/19
Der Senat für Anwaltssachen hat sich mit den Auswirkungen eines Insolvenzverfahrens auf die Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft befasst. Ergänzend hat der Senat einen Rahmen skizziert, der es einem Rechtsanwalt erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen seine Tätigkeit unter Beibehaltung der Zulassung fortzusetzen.
Grundsatz
Die Zulassung kann widerrufen werden, wenn der Widerrufsgrund des Vermögensverfalls gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegeben ist. Der Vermögensverfall wird bei demjenigen bejaht, der sich in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen, die er auf absehbare Zeit nicht ordnen kann, befindet und der außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. Senatsbeschluss vom 28.01.2019 – AnwZ (Brfg) 72/18). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Hs. 2 BRAO vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. Der Vermögensverfall steht fest, wenn der Betroffene seine Gläubiger nicht bedienen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH endet der Vermögensverfall, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan gem. § 248 InsO oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan gem. § 308 InsO vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern befreit wird.
Hintergrund der für einen Rechtsanwalt in der Regel existenzentscheidenden Rechtsfolge des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist, dass in erster Linie Mandantengelder sowohl vor einem Zugriff eines in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts als auch vor einem Zugriff von dessen Gläubigern geschützt werden sollen.
Folgerichtig kann es deshalb keine Rolle spielen, woher die Verbindlichkeiten stammen, das heißt ob ein Bezug zur Tätigkeit als Rechtsanwalt besteht oder, ob der Rechtsanwalt über einen langen Zeitraum ohne Beanstandungen tätig gewesen ist.
Lösungsansätze
Bei einer fortgesetzten Tätigkeit des Rechtsanwalts muss in jedem Fall ausgeschlossen sein, dass die Gefährdung von Mandanteninteressen insbesondere im Bereich Fremdgelder ausgeschlossen ist.
Um eine solche Gefährdung zu vermeiden, lässt es der BGH nicht genügen, dass der Rechtsanwalt ein Anstellungsverhältnis bei einem Einzelanwalt eingeht. Anders als bei der Sozietät – so der BGH – kann bei einem Einzelanwalt nicht lückenlos sichergestellt werden, dass der betroffene Rechtsanwalt im Fall von Urlaub, Krankheit, Auswärtsterminen keinen Zugriff auf Mandantengelder hat.
Ein weiteres Kriterium für die effektive Sicherung ist, dass der Arbeitgeber sich verpflichtet, die Beendigung eines Arbeitsvertrages mit dem betroffenen Rechtsanwalt an die Kammer zu melden, um dieser bei Aufnahme einer Einzelanwaltstätigkeit, einen Widerruf zu ermöglichen.
Wird der betroffene Rechtsanwalt bei einer Sozietät eingestellt, so muss für die Mandanten ein deutlich sichtbarer Hinweis darauf erfolgen, dass er nicht Sozius, sondern Angestellter ist. Dies dient dem Schutz des Mandanten.
Hinweise für die Praxis
Berät man einen Rechtsanwalt, der in wirtschaftliche Schieflage geraten ist, so ist zunächst zu prüfen, ob die durch das Berufsrecht vorgegebenen Regeln für Fremdgeld eingehalten wurden. Aus § 4 Abs. 1 BORA ergibt sich die Verpflichtung, ein Anderkonto anzulegen, allein schon aus vollstreckungsrechtlichem Gesichtspunkt (Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO). Strafrechtlich kann es hier, vor allem bei Verwendung von Geldern zum Ausgleich eigener Verbindlichkeiten, schnell zum Vorwurf der Untreue gem. § 266 StGB in Form des Treubruchs kommen. Das Fremdgeld kann also eine tickende Zeitbombe darstellen.
Um den Widerruf der Zulassung trotz Insolvenzverfahrens zu verhindern, sollte rasch mit der Ausarbeitung eines Konzepts für einen Insolvenzplan begonnen werden. Zu beachten ist hierbei, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der Widerrufsverfügung abzustellen ist. Wenn das Verfahren erst einmal eröffnet ist, wird der Vermögensverfall bereits vermutet. Spätere Umstände, die sich im Verlauf des Insolvenzverfahrens ergeben, sind hingegen im Wiederzulassungsverfahren zu berücksichtigen und wirken nicht auf den Zeitpunkt der Widerrufsverfügung zurück. Dabei ist es sicherlich nur vorteilhaft, den Kontakt zu der zuständigen Kammer zu suchen. Bundesweit agieren Kammern jedoch durchaus unterschiedlich, wenn sie von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangen. Dies erfährt man, wenn man sich mit den Zuständigen austauscht.
Im Ergebnis bedeutet die Insolvenz eines Rechtsanwalts also nicht in jedem Fall, dass die Zulassung entzogen wird. Allerdings sollten die durch den BGH aufgestellten Kriterien beachtet und auch eingehalten werden.
Annemarie Dhonau
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht