Praxis der Insolvenzanfechtung: Die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung im Lichte der neuen BGH-Rechtsprechung
Charakteristisch für die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung ist, dass der zur Nutzung überlassene Gegenstand Eigentum des Gesellschafters des späteren Insolvenzschuldners ist. Dieser vereinbart mit der Gesellschaft in der Regel ein Mietverhältnis über den überlassenen Gegenstand und erhält die geschuldeten Mietzahlungen. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) waren diese Mietzahlungen über das Konstrukt der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Krise an die Gesellschaft zurückzugewähren, §§ 30, 31 GmbHG bzw. §§ 32a, b GmbHG. Der § 135 InsO wurde durch das MoMiG vom 23.10.2008 neu gefasst. Die bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltenden §§ 32a, b GmbHG wurden in das Insolvenzrecht verlagert und insbesondere der § 135 InsO erweitert.
Nach § 135 I InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 I Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung Sicherung (Nr. 1) oder Befriedigung (Nr. 2) gewährt hat. Bei der insolvenzrechtlichen Behandlung von Gesellschafterdarlehen wird nunmehr generell auf das Merkmal „kapitalersetzend“ verzichtet und jedes Gesellschafterdarlehen für den Fall der Insolvenz dem Nachrang des § 39 I Nr. 5 InsO unterworfen. In Konsequenz dieser Änderung wird durch eine Verschärfung des § 135 I Nr. 2 InsO die Rückgewähr jedes – und nicht nur eines „kapitalersetzenden“ – Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft binnen Jahresfrist vor Antragstellung von der Insolvenzanfechtung erfasst, ohne dass das bisherige Erfordernis einer Gesellschaftskrise hinzutreten muss.
Nun ist aber umstritten, ob nach neuem Recht die Nutzungsüberlassung eines Gegenstands/Grundstücks durch den Gesellschafter an die Gesellschaft eine dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Forderung darstellt (vgl. nur Marotzke, ZInsO 2013, 641, 643 m.w.N.). Nach der die Anwendbarkeit ablehnenden Auffassung habe der Gesetzgeber des MoMiG das Recht der Nutzungsüberlassung aus dem Regelungsbereich der Gesellschafterdarlehen herausgenommen, so dass die §§ 39 I Nr. 5, 135 I InsO die Nutzungsüberlassung nicht mehr erfassen würden. Es sei dem Gesetzgeber in erster Linie um die Aussonderungssperre des § 135 III InsO und nicht um die Ersparnis von Nutzungsentgelten gegangen (vgl. zum Meinungsstand OLG Schleswig, Urteil v. 13.01.2012, 4 U 57/11 m.w.N.). Bei der Nutzungsüberlassung sei eine Darlehensähnlichkeit nur bei Zahlungen auf gestundete Nutzungsentgelte gegeben. Nach der rechtskräftigen Entscheidung des OLG Schleswig (a.a.O.) unterfällt die Vermietung eines Grundstücks durch den Gesellschafter an die Gesellschaft nicht mehr dem Anwendungsbereich des § 135 InsO, eine Anfechtung sei daher ausgeschlossen.
In einer neueren Entscheidung hatte sich der BGH nun mit der Frage zu beschäftigen, ob Zahlungen der Schuldnerin auf eine zuvor von ihrem Gesellschafter an einen Dritten abgetretene Darlehensforderung nach § 135 InsO anfechtbar sind (vgl. hierzu auch den Beitrag zum BGH-Urteil vom 21.02.2013 – IX ZR 32/12). Dies wurde im Ergebnis bejaht und der BGH führte dabei unter Verweis auf die Gesetzesbegründung aus, dass durch die Einbeziehung „gleichgestellter Forderungen“ der bisherige § 32a GmbHG in personeller und sachlicher Hinsicht in den neuen § 135 InsO übernommen worden sei. Im Blick auf die Reichweite der Regelung im Verhältnis zu Dritten könne folglich auf die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelte Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Eine einschränkende Auslegung wäre nach Ansicht des BGH mit der tatbestandlichen Verschärfung des § 135 I Nr. 2 InsO unvereinbar, der abweichend vom früheren Recht krisenunabhängig die Rückgewähr sämtlicher und nicht nur eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen vorschreibe.
Auch wenn sich diese Ausführungen auf den zu entscheidenden Fall einer Darlehensabtretung beziehen, so wird hieraus dennoch deutlich, dass der BGH davon ausgeht, der Gesetzgeber habe die Regelungen der §§ 32a, b GmbHG in die Insolvenzordnung übernehmen wollen. Da die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung einer der Hauptanwendungsfälle dieser Regelungen war, spricht deshalb einiges dafür, dass der BGH auch nach Inkrafttreten des MoMiG die Nutzungsüberlassung weiterhin in den Anwendungsbereich der Norm einbeziehen wird.
Jessica Kießling
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Insolvenzrecht