Ibbenbürener Volkszeitung: Neuer Betreiber, neuer Name „Haus Sonnenblick“ ist gerettet
Von Frank Klausmeyer
METTINGEN. Gut drei Monate nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt es jetzt eine gute Nachricht aus dem „Haus Sonnenblick“. Das Pflegeheim an der Westerkappelner Straße ist gerettet. Es geht mit neuem Betreiber und unter neuem Namen weiter – Stichtag 1. September.
Am 25. Mai hatte das zuständige Insolvenzgericht in Wiesbaden die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Medem Real Care GmbH als Betreiberin des Mettinger Pflegeheims angeordnet und Dr. Christoph Glatt (Mainz) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Die Gesellschaft hat neben dem „Haus Sonnenblick“ fünf weitere Pflegeheime betrieben. Bis auf eine erst Anfang Juni in Rödinghausen eröffnete Einrichtung habe man für alle Häuser eine Lösung gefunden, bestätigt Glatt auf Nachfrage unserer Redaktion.
„Ein Schnellboot lässt sich leichter steuern als ein Kreuzfahrtschiff.“ Amande Kleier sieht einen großen Vorteil darin, dass das „Seniorenzentrum L(i)ebevoll“ nicht zu einem größeren Verbund oder einem Konzern gehört.
In Mettingen kommt die Lösung in Person von Amande und Bernd Kleier daher. „Sie haben sich entschlossen, aus der Rolle des Besitzers heraus- und in die Rolle des Betreibers hineinzuschlüpfen“, stellt Einrichtungsleiter Axel Spieker die beiden vor. Das Ehepaar aus Visbek (Landkreis Vechta) war Bauherr der Anlage und bis dato eigentlich in der Immobilienentwicklung tätig. Mit dem Betrieb eines Pflegeheims betritt es Neuland. Dafür wurde die Seniorenheim Mettingen GmbH gegründet.
Ein wenig könnte die Entscheidung zur Übernahme aus der Not heraus geboren sein. Schließlich haben die Kleiers mehrere Millionen Euro an der Westerkappelner Straße investiert. „Aus der Not heraus würde ich das nicht nennen“, entgegnet Amande Kleier. Die Alternativen, die sich geboten hätten, seien für sie aber nicht vertretbar gewesen. „Es ging uns darum, den Bewohnern langfristige Sicherheit zu bieten.“ Ohne das „tolle, kompetente und engagierte Team“ (Amande Kleier) hätte das Ehepaar den Schritt wohl nicht gewagt.
„Man muss mit Herz und Verstand dabei sein“, sagt Axel Spieker. Fürs Herz steht auch der neue Name: „Seniorenzentrum L(i)ebenswert“. Das kleine Wortspiel solle symbolisieren, „dass die Bewohner auf liebenswerte Mitarbeiter treffen werden und hier ein lebenswertes Leben haben“, sagt Spieker als „Erfinder“.
Die neuen Betreiber dürften erst einmal vor den gleichen Problemen stehen, die den alten in die Insolvenz geführt haben: eine Mischung aus den Folgen der Coronakrise und des Ukraine-Krieges mit teilweise extrem gestiegenen Kosten, schwierigen Verhandlungen mit den Kostenträgern über Erstattungen und dem Umstand, dass die Einrichtung nicht voll belegt ist. Zurzeit hat das Haus mit 80 Betten 38 Bewohner. Im Juni waren es sechs mehr. „Das waren Kurzzeitpflegegäste, die geplant ausgezogen sind“, erläutert Spieker.
Potenzielle Kunden, sprich Pflegebedürftige, gebe es genug, ist der Einrichtungsleiter sicher. Das Haus kann aber nur so viele Menschen aufnehmen, wie auch gepflegt und betreut werden können. In der Insolvenzphase sei es schwierig gewesen, neues Personal zu finden. Wer bewirbt sich schon bei einem Arbeitgeber, der zahlungsunfähig ist? „Hätte ich das Personal, wäre das Haus in drei Monaten voll“, ist Spieker (60) überzeugt. „Das ist aber eine Blackbox, wo wir nicht sagen können, wie sich das entwickelt.“
Zurzeit gibt es 42 Beschäftigte von der Pflege bis zur Küche, darunter auch Teilzeitkräfte. Mit dem neuen Betreiber sieht Spieker trotz schwieriger Marktlage gute Aussichten, neue und genügend Fachkräfte zu gewinnen. „Unser Vorteil ist die solitäre Stellung. Mitarbeiter haben oft ein schnelles Problem, für das sie eine schnelle Antwort haben wollen.“ Die meisten Pflegeeinrichtungen würden heute im Verbund mit anderen Häusern geführt oder gehörten gar zu Konzernen, wo es lange Entscheidungswege gebe.
„Unsere Alleinstellung macht uns flexibler und wir schaffen Nähe“, sagt Amande Kleier, die versuchen will, so viele für das Haus notwendige Dienstleistungen wie möglich vor Ort in Mettingen abzurufen. Wenn sich Axel Spieker etwas wünschen dürfte, dann bekäme er die Einrichtung noch dieses Jahr voll. „Der Optimist in mir sagt, dass wir das Mitte nächsten Jahres schaffen, der Realist Ende 2024.“
„Jeder in der Branche weiß, dass alles unter 80 Prozent Belegung schwierig ist“, sagt Amanda Kleier. Auf Dauer sei alles andere unwirtschaftlich. Deshalb seien sie und ihr Mann auch bemüht gewesen, so schnell wie möglich anzufangen. Zumindest scheinen den Betreibern nicht die Banken im Nacken zu sitzen. „Wir haben die Anlage gebaut und dafür kaum Fremdkapital in Anspruch nehmen müssen“, erklärt Bernd Kleier. „Wir haben auch nicht so einen riesigen Wasserkopf wie die großen Konzerne. Dadurch kann man sicher viel Geld sparen.“
Ein kleines – rechtstechnisches – Fragezeichen gibt es noch, wie Rechtsanwalt Glatt anmerkt. Alle gefundenen Betreiber hätten schriftlich bindende Angebote eingereicht. „Da steht drin, dass das Insolvenzverfahren zum 1. September eröffnet wird und ich zum Insolvenzverwalter bestellt werde.“ Diese Klausel dürfte sich aber im Laufe des Freitags erledigt haben. „Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss ich den Betreibern im Grunde nur noch eine E-Mail schreiben, dass ich ihr Angebot annehme.“ Dass noch etwas dazwischen komme, sei also eher theoretischer Natur.
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